In vielen Branchen gehören chemische Stoffe und Gemische zum betrieblichen Alltag – vom Reinigungs- und Desinfektionsmittel bis hin zu anspruchsvollen Produktionschemikalien. Dabei ist der Umgang mit Gefahrstoffen keineswegs nur eine Formalie: Bereits kleine Fehler beim Lagern oder Kennzeichnen können zu gesundheitlichen Schäden bei Beschäftigten und schwerwiegenden Unfällen führen. Zudem drohen erhebliche Haftungsrisiken und Bußgelder, wenn die gesetzlichen Vorgaben missachtet werden. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Regelungen gelten, wie Sie Gefahrstoffe richtig einstufen und kennzeichnen und welche Maßnahmen Sie für eine sichere Lagerung beachten sollten.
1. Rechtliche Grundlagen
In Deutschland bildet die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) den wichtigsten gesetzlichen Rahmen, der auf das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verweist. Sie setzt europäische Regelwerke wie die REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) und die CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging) um. Letztere regelt die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Gemischen mithilfe der bekannten roten Rautensymbole. Ergänzend haben die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) – beispielsweise die TRGS 510 zur Lagerung – eine wichtige Bedeutung, da sie praxisbezogene Anweisungen enthalten.
Neben der Gesetzes- und Verordnungsebene empfiehlt es sich, auch Regelwerke der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zu Rate zu ziehen. Diese liefern branchenspezifische Vorschriften und Handlungshilfen zur sicheren Aufbewahrung und Kennzeichnung. Bei Verstößen gegen die Vorgaben drohen Sanktionen: Denkbar sind Bußgelder, Strafverfahren bei grober Fahrlässigkeit sowie Schadensersatzforderungen von Betroffenen oder Versicherungsträgern.
2. Einstufung und Kennzeichnung nach CLP
Das Herzstück eines sicheren Gefahrstoffmanagements ist die richtige Einstufung und Kennzeichnung. Gemäß CLP-Verordnung sind Gefahrenklassen und -kategorien festgelegt: von „entzündbar“ über „ätzend“ bis hin zu „gesundheitsschädlich“ oder „umweltgefährlich“. Zu den wichtigsten Elementen gehören:
- Piktogramme: Rote Rauten mit dem entsprechenden Gefahrensymbol (z. B. Flamme, Ausrufezeichen, Totenkopf).
- Signalwörter: „Achtung“ oder „Gefahr“ zeigen das Ausmaß der Gefährdung an.
- Gefahrenhinweise (H-Sätze): Beschreiben die spezifischen Gefahren („Kann schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden verursachen“).
- Sicherheitshinweise (P-Sätze): Geben konkrete Schutzmaßnahmen an („Bei Berührung mit der Haut sofort mit viel Wasser abwaschen“).
Beschäftigte müssen zudem über die Bedeutung der Kennzeichnungen Bescheid wissen. Unterweisungen, Betriebsanweisungen und leicht zugängliche Informationsblätter sind hierbei wichtig. Wird ein Stoff umgefüllt, darf das Behältnis nur dann ohne Etikett sein, wenn keine Gefahr der Verwechslung besteht und der Inhalt sofort verarbeitet wird. Ansonsten ist stets eine korrekte Kennzeichnung notwendig.
3. Gefahrstoffkataster und Gefährdungsbeurteilung
Die Gefahrstoffverordnung verlangt, dass Unternehmen für ihre eingesetzten Gefahrstoffe ein sogenanntes „Gefahrstoffkataster“ (oder -verzeichnis) führen. Darin aufgeführt sind:
- Name des Stoffs bzw. Gemischs: und entsprechende Gefahrklassen laut Sicherheitsdatenblatt.
- Einstufung nach CLP (bzw. Kennzeichnungselemente).
- Lagerorte und Mengen.
- Maßnahmen zur sicheren Handhabung (z. B. persönliche Schutzausrüstung, Lagertemperaturen, etc.).
In der Gefährdungsbeurteilung nach ArbSchG § 5 (und den zugehörigen Bestimmungen der GefStoffV) werden die Risiken, die von jedem Stoff ausgehen, bewertet. Daraus resultieren Schutzmaßnahmen wie besondere Lüftungssysteme, Abzugshauben oder die Verpflichtung zum Tragen einer bestimmten PSA (Chemikalienschutzhandschuhe, Schutzbrille, etc.). Darüber hinaus kann auch eine Substitution zu prüfen sein: Lässt sich ein besonders gefährlicher Stoff durch einen weniger gefährlichen ersetzen?
4. Lagerung: Vorschriften und praktische Tipps
Die korrekte Lagerung von Gefahrstoffen umfasst mehr als nur das Abstellen von Gebinden auf Regalen. Folgende Aspekte sind zentral:
- Trennung unverträglicher Stoffe: Stoffe, die miteinander chemisch reagieren können (z. B. Säuren und Laugen), müssen räumlich getrennt lagern. Das verhindert gefährliche Reaktionen bei versehentlichem Austritt.
- Klimatische Bedingungen: Manche Gefahrstoffe verlangen kühle, trockene Lagerbereiche, andere sind lichtempfindlich. Die Einhaltung empfohlener Temperaturen oder Feuchtigkeitswerte muss regelmäßig kontrolliert werden.
- Belüftung und Brandgefahr: Bei leicht entzündbaren Stoffen sind spezielle Lagerräume mit Ventilation erforderlich. Sprinkleranlagen, Brandmelder und Feuerlöscher müssen in ausreichender Zahl vorhanden sein.
- Umweltschutz: Zum Schutz von Boden und Gewässern sind bei bestimmten Flüssigkeiten Auffangwannen vorgeschrieben. Ein Leck oder verschütteter Gefahrstoff darf nicht unkontrolliert versickern.
- Lagerklassen beachten: Die TRGS 510 definiert verschiedene Lagerklassen (LC). Je nach LC gelten besondere Anforderungen an Raumaufteilung, Baustruktur und Brandschutz.
Es ist ratsam, mit übersichtlichen Warnschildern oder Farbcodierungen zu arbeiten, damit Mitarbeitende sofort erkennen, wo welche Stoffe gelagert sind. Zudem sollte der Zugang zu besonders gefährlichen Chemikalien eingeschränkt werden – nur befugtes und geschultes Personal darf Zutritt erhalten.
5. Schulungen und Betriebsanweisungen
Kein Gefahrstoffmanagement kommt ohne regelmäßige Unterweisungen und Schulungen aus. Beschäftigte müssen wissen:
- Wie man Gefahrstoffe erkennt (Kennzeichen, Sicherheitsdatenblatt).
- Welche PSA benötigt wird (z. B. Atemschutz, Handschuhe, Augenschutz).
- Wie man im Notfall reagiert (Auslaufen, Brand, Verschlucken etc.).
- Wo relevante Unterlagen (Betriebsanweisungen, Gefahrstoffkataster) zu finden sind.
Betriebsanweisungen konkretisieren die Maßnahmen für jeden Gefahrstoff oder jede Stoffgruppe. Sie sind in klarer, verständlicher Sprache zu verfassen und für alle Betroffenen gut sichtbar auszuhängen. Die DGUV stellt zahlreiche Musterbetriebsanweisungen online bereit, die an den konkreten Betriebsalltag angepasst werden können.
6. Fazit
„Gefahrstoffe richtig lagern und kennzeichnen“ ist eine zentrale Verantwortlichkeit im Arbeitsschutz. Neben der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften steht dabei vor allem der Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Fokus. Die Grundlage bildet eine sorgfältige Gefährdungsbeurteilung, die alle eingesetzten Chemikalien erfasst und bewertet. Aus ihr leitet sich ab, wie gelagert, etikettiert und geschult werden muss. Dazu gehören das Gefahrstoffkataster, die Beachtung der CLP-Verordnung und die Trennung unverträglicher Stoffe. Mit konsequenter Dokumentation und regelmäßigen Unterweisungen kann das Unfallrisiko erheblich reduziert werden. So leisten Unternehmen zugleich einen Beitrag zum Umweltschutz, beugen betrieblichen Störfällen vor und minimieren Haftungsrisiken.